Brrr …

Wort zum Sonntag

 

Fast könnte man meinen, wir wären nur zum Spaß hier: Als uns Judd eröffnet, dass er Kontakte zum hiesigen Rafting-Center besitzt, wird uns schlagartig klar, dass wir einfach noch viel zu erledigt sind, um uns jetzt schon die Rockies anzutun (aber Rafting geht vielleicht schon).

Nach einem Bagel-Frühstück mit Frischkäse und Milchkaffee im „Breadboard“, wo Judds Freund Adam arbeitet, gehen wir also raften. Mit Judds Hilfe kostet uns der ganze Spaß bloß 20 Dollar. Am Ende erweist sich dann allerdings nur der Preis als heiß und der Trip dafür als ein bisschen billig. Das vor allem deshalb, weil die Veranstalter es nicht für nötig halten, Neopren-Anzüge einzusetzen, um auch unsere Körpertemperatur auf menschlichem Niveau zu halten. Wozu auch? Immerhin ist der Yellowstone River ja ein Fluss der Stufe 5 auf der nach oben offenen Celsius-Skala (also noch nicht einmal zugefroren).

Während die White-Water-Crew mit intelligenten Fertigsprüchen, die aus mindestens einem halben Dutzend mittelklassiger Filme zusammengeklaut sein müssen, die Besatzung aufheitert, dürfen wir an vorderster Front paddeln und Wasser schippen. Ein strategisch günstiger Platz, an dem man schon mal vorbeugend zittern kann, wenn man den nächsten tiefgekühlten Brecher herannahen sieht. Außerdem haben wir aus der Poleposition den besten Ausblick auf den Schrottplatz von Cody (da liegt doch tatsächlich ein alter Ford T herum …).

Jedes Mal, wenn so eine Welle ins Boot schwappt, hoffst du, du stirbst endlich am Schock, und dass es in der anderen Welt vielleicht ein bisschen wärmer ist. – Als wir das Boot nach diesem „Höllenritt“ verlassen dürfen, spüre ich meine Füße nicht mehr. Selbst die Aussicht auf 40 Grad Fieber kann mich an diesem Punkt unserer Reise nicht erhitzen.

Am Abend fahren wir auf der Ladefläche von Adams Pick-up den Yellowstone River hinauf, um unter Judds fachkundiger Anleitung dem „Bouldering“ zu frönen. „Bouldering“ (ins Deutsche – wenn’s denn sein muss – am intelligentesten mit dem Kunstverb „geröllen“ zu übersetzen) bedeutet, dass man ohne Seil klettert und sich dafür, weil das Ganze eben ohne Sicherung passiert, höchstens zwei Meter über Grund bewegt (reicht ja auch, um sich den Fuß zu brechen).

Die Differenz zwischen meiner Fußgröße und den Dimensionen dieser Kletterschuhe ist wirklich märchenhaft. Der Schuh ist viel zu klein! (Die rechte Braut ist noch daheim?)

Auch der Rest des Abends bleibt ein schwindeliger Akt ohne Seil: Eine Party ist angesagt, die sich allerdings nicht so recht in lustige Höhen aufzuschwingen vermag. Nach zwei Stunden blöden Herumsitzens haben wir dann endlich kapiert: Hier laufen offenbar die Vorausscheidungen zur Teeny-Serie „Beverly Hills 90210“. Der Dreh hat den Arbeitstitel „Cody 96713“; in den Hauptrollen: Shevan (spielt die blonde Schickse) und Angel (den männermordenden Vamp). In weiteren Rollen: Adam, Judd und Steve – der Koch, der Radfahrer, der Liebhaber der Frau (eine undankbare Doppelrolle mit wechselnden Protagonisten) und deren schleimiger Exfreund.     

Es kommt, wie es kommen muss (zumindest sagt Adam das hinterher): Shevan spielt sich mit Judd, Angel lädt heimlich Shevans Exfreund Steve ein und Judd fühlt sich schließlich komplett verarscht. Was folgt, ist eine armselige Story um Macht, Liebe, Intrigen und Geltungssucht, die auch durch einige emotionale Härteeinlagen einfach nicht besser wird. Unglaubwürdige Plots:

1. Wer keine Gefühle hat, kann selber auch nicht verletzt werden.

2. Wer nicht den Erstschlag führt, ist selber schuld.

3. Wenn dann am Ende doch irgendwas schief gelaufen ist, kann man den Spieß ja immer noch umdrehen. („Also, wer hat hier jetzt bitte mit wem Schluss gemacht?“)

So landen wir nach abgedrehtem Fiasko um drei Uhr früh auf dem Golfplatz von Cody. Wir liegen allesamt im Gras, lauschen den Rasensprenklern und starren in die Sterne, die vom unbeleuchteten Green aus so hell sind, dass man neben mehreren Sternschnuppen auch zwei Satelliten auf ihrer Bahn beobachten kann.

Während mir bei all den Sternschnuppen schön langsam die Wünsche ausgehen, erzählt uns Angel – der man das gar nicht ansieht –, dass sie eine der tausend schnellsten Frauen der Welt ist: Sie läuft die 400 Meter so deutlich unter einer Minute, dass sie deswegen sogar im US-Nachwuchskader ist. Nicht schlecht! – Wie hat sie das bloß geschafft?

Angel hat im College (oder war’s die High School) den liebevollen Kosenamen „Schwarze Witwe“ verliehen bekommen, auf den sie sichtlich stolz ist. Schwarze Witwen (so sagt man jedenfalls) fressen ihre Männchen nach der Paarung auf. – He, damit hätten wir wenigstens eine mögliche Erklärung für ihre 400-Meter-Fabelzeiten: Angels spezielle Läuferdiät …

Unprofessionell, wie wir nun mal sind, fallen uns dazu aber nur blöde Witze ein („Wer bei der Angel anbeißt, ist ein armer Wurm …“). Und als Angel schließlich verkündet, ein einzelner Mann sei für sie zu wenig, wird uns schlagartig klar: Die böse Angel hat schon wieder nicht ordentlich gefrühstückt!


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Stefan & Tobi