Oh, how I wish it would rain!

Phil Collins

 

Nur noch ein Monat bis zu dem Tag, der auf unseren Flugtickets das Rückreisedatum markiert.

Früh um acht finden wir uns auf dem Golfplatz bei einem Seniorenturnier wieder. Nachdem uns der Platzwart kein Golfkart zum Herumdüsen borgen will, schauen wir uns noch die Abschläge unserer Gastgeber an und gehen dann, nachdem sie mit ihren elektrischen Einkaufswagerln am grünen Horizont versunken sind, frühstücken.

Die Kellnerin (sie heißt bestimmt Judy, das Lokal heißt nämlich „ Judy’s“) serviert uns auf ihrer lieblichen Terrasse mit einem letzten Panoramablick auf die Sawtooth Mountains eine Megaportion Pancakes, Würstel und Orangensaft. („Was, das alles für nur vier Dollar?“) Wir lassen noch einmal intensiv die Seele baumeln, bevor es aus diesem Paradies hinaus in die sengende Wüste Oregons geht.

Am späten Vormittag machen wir Bekanntschaft mit Pfirsichen aus Idaho: Der Preis ist eine Unverschämtheit, die Verkäuferin hat sie schlecht gewaschen – aber das Fruchtfleisch ist so süß und saftig (Sonne hat’s hier offenbar genug), dass es alles andere vergessen lässt.

In der Folge verwandelt sich die Traumlandschaft wie erwartet in trockene, heiße Steppe. 100 Grad Fahrenheit, vertrocknetes Gras, reifes Korn, durstige Kühe und Pferde. Nur der Fluss heißt noch immer South Fork Payette River. Breit, braun und träge ist er geworden, nachdem er heute Morgen noch rauschend klares Gebirgswasser geführt hat.

Sehr bald (die Pfirsiche waren zwar gut, aber nicht ausreichend) müssen wir eine zweite Pause einlegen. Das Radfahren ist mühsam geworden in dieser Hitze. Jede Steigung ist wie eine Strafe und der Verkehr wird auch wieder stärker.

Irgendwo am Straßenrand hat Stefan unerklärlicherweise die herausgerissene Mittelseite eines Penthouse-Magazins gefunden. Wortlos klemmt er das „Pin-up“ gut sichtbar an seinen Gepäckträger. Damit ich nicht immer auf seinen Hintern starren muss, erklärt er mir später. Und bereitet mir einen Augenblick höchster Erfrischung, als ich mich mal wieder bis auf zehn Meter an ihn herangearbeitet habe. Schlagartig verringert sich die Distanz um weitere acht Meter. Trotzdem bleibt Stefan streng mit mir: Da es sich um einen Pin-up-Kalender handle, dürfe ich die vermutlich mindestens ebenso ansprechende Rückseite des Blattes erst morgen sehen.

Als die Nachmittagshitze zu groß wird, flüchten wir im 20-Einwohner-Dörfchen Letha in einen kleinen Lebensmittelladen. Dabei ist es ja eigentlich eine Videothek. Oder doch ein Postamt? – Nein, und eine Bücherei ist auch da (wie nett …)! Der Versuch, einen Film auszuleihen („Presidio“ mit S. Connery um nur 1 Dollar) und ihn gleich vor Ort in der Bücherei-Sektion anzusehen, scheitert zu unserem größten Bedauern am defekten Videorecorder. (War draußen über der Tür denn nicht auch „Kino“ gestanden?)

Auch ohne den Film gesehen zu haben sind wir dann so müde, dass wir gleich bei einem der nächsten Häuser um Schatten (unter dem Baum im Vorgarten) und einen Schlauch zur Kühlung bitten. Die alte Dame, die hier mit ihrem Mann wohnt, bietet uns stattdessen (in ihrer überschwänglichen Freude, dass sich in Letha endlich mal was tut) nach und nach Dusche, Essen (Cornflakes mit Heidelbeeren und Pfirsich-Jelly mit Milch) und schließlich sogar Quartier für die Nacht an. All das macht sie mit erkennbarer Routine – schließlich haben hier schon einmal durchreisende Radfahrer genächtigt, und das soll noch nicht einmal zehn Jahre her sein.

Begeistert nehmen wir der Reihe nach alle offerierten Wohltaten in Anspruch und nehmen uns dafür vor, nicht nur heute früh schlafen zu gehen, sondern morgen auch dementsprechend zeitig aufzustehen, um der vorausgesagten Hitze zu entgehen.

Dorothy und Roy haben einen netten kleinen Bauernhof voller Überraschungen: Wenn man duscht, stinkt das ganze Haus nach faulen Eiern. Zweifellos liegt das am Schwefelgas im Brunnen. Aber dafür könnten die zwei hier glatt Kurtaxe verlangen: Nur ein paar Liter von dem (durchaus gesunden) Zeug in die Badewanne eingelassen, und schon hätte Letha (neben Lebensmittelladen, Videothek, Postamt und Bücherei) auch noch ein Heilbad.

Ach, und liebe Kätzchen gibt’s hier auch …

Wo mag das hinführen? Eindeutig nach draußen! – Aber eine katzenhaarfreie Übernachtung unter dem Verandadach in der linden Nachtluft ist auch ganz nett.

Morgen ist Idaho Geschichte!


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Stefan & Tobi