Ich habe gar nicht gewusst,

dass Amerika so groß ist.

Lucky Luke

 

Während im weit entfernten Londoner Wembley-Stadion Deutschland zum x-ten Mal Fußball-Europameister wird (wegen der Zeitverschiebung schon vor dem Mittagessen) und Millionen gleichgültiger Amerikaner ungeachtet dieser Tatsache ihren Lunch in sich hineinfuttern, fahren wir zu Gail (einer Freundin von gestern Abend) und ihrer Familie nach Worthington, wo wir den gesamten Nachmittag mit Wasserski- und Kneeboardfahren verbringen.

Das mit dem Wasserskifahren geht ja noch – aber Kneeboard? Ich glaube, ich muss hier irgendwann noch mal vorbeikommen, um das zu lernen.

Um halb fünf – wir haben zu diesem Zeitpunkt gerade mit Gails Familie ein kleines Barbecue zu uns genommen – fällt uns plötzlich ein, wozu wir eigentlich hierhergekommen waren. (Was war das noch gleich? Fressen? Planschen? Faulenzen? – Ach ja: Radfahren …)

Wir brechen auf. Im Zickzack versuchen wir, uns nach South Dakota durchzuschlagen. Nachdem sich ein paar Ballonfahrer am Straßenrand als nicht sonderlich hilfreich erweisen („Ihr sucht eine Übernachtungsmöglichkeit? Hoho, bis zum nächsten Motel habt ihr’s aber weit, das steht nämlich in Sioux Falls …“ – also lächerliche 25 Meilen entfernt in einer Richtung, in die wir gar nicht wollen), überqueren wir ein stinkendes Rinnsal (das sich morgen früh als der bedeutende Grenzfluss „Sioux River“ entpuppen wird) und erreichen schließlich bei Einbruch der Dunkelheit ein paar frei stehende Häuser.

Höflich und demütig bemühen wir uns um freundliche Kontaktaufnahme. Aber stattdessen treffen wir auf unheimliche Menschen, die uns ignorieren oder beschimpfen.

Einer dieser seltsamen Menschen gestattet uns dann doch, auf seinem Rasen zu schlafen. Seinen Blicken und Nebenbemerkungen entnehmen wir allerdings, dass er sich dafür in der Nacht inniglich an seine doppelläufige Schrotflinte kuscheln wird, wenn er überhaupt schlafen kann. Seine Frau und die beiden zehnjährigen Töchter haben da schon weniger Berührungsängste. Wir mimen Verständnis für so viel Ängstlichkeit, sind aber wohl schon ein bisschen zu verwöhnt von den herzlichen Menschen, die wir bis jetzt getroffen haben, um sein beinahe drohendes Gebaren ohne innere Anspannung („So ein Trottel!“) akzeptieren zu können.

Tatsächlich ist der Mann dann so nett, für uns aus einem Hangar im Nachbardorf ein Zelt zu holen. Weniger nett ist wiederum, dass er darauf besteht, dass wir beide mitkommen.

Wenn ich er wäre, würde ich mich eher vor den Nachbarn fürchten.

Die Frau setzt sich schließlich mit ihrer Gastfreundschaft durch: Sie lädt uns, nachdem wir mittels Gartenschlauch eine erfrischende Dusche genommen haben, ins Haus zum Abendessen ein. Während wir uns angeregt mit ihr und den beiden lebhaften Kindern (zukünftige Synchronschwimmerinnen für die nächsten oder übernächsten Olympischen Spiele) unterhalten, sitzt der Hausherr schweißgebadet in einer Ecke und schielt misstrauisch zu uns herüber.

Sicherlich kann er aus dieser Entfernung besser zielen, wenn wir mit unseren Radschuhen bewaffnet über seine Familie herfallen.


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Stefan & Tobi