I like the summer. It’s better than winter.

The girls wear short skirts …

Tim, Niagara

 

Die Staatsgrenze. Endlich. Wir kommen uns vor wie die Bankräuber in einem dieser klassischen Westernfilme. Nur wo bleibt der misstrauische Gesetzeshüter? In der einzigen Uniform weit und breit steckt die liebenswerte Dame vom Zoll. Und die lässt uns anstandslos passieren.

Fast sind wir ein bisschen enttäuscht: Am Flughafen haben wir doch immerhin eine Stunde gebraucht, um in dieses Land hineinzukommen. Und raus kommt man so leicht? Sie will nicht einmal nachsehen, ob wir in unseren Fahrradrahmen Goldstaub oder Kokain versteckt haben! Wahrscheinlich hält sie uns für ein paar doofe Wochenendradler.

Auf der kanadischen Seite des Städtchens Niagara Falls verstrampeln wir dafür zwölf Meilen bei dem Versuch, die Stadt zu verlassen. Was für lausige Straßenmarkierungen: Alle beschilderten Wege führen zum Wasserfall! Hat man uns vielleicht nur deswegen so leicht passieren lassen? (Man kann die hinterhältigen Grenzer hinter unserem Rücken richtig tuscheln hören: „So, wie diese Gringos aussehen, kommen die nicht mal aus der Stadt raus …“)

Wir schaffen es dann doch. Zur Strafe lehren wir den Kontinent auf dieser Seite der Grenze gleich das Fürchten: Mittags stärken wir uns für acht kanadische Dollar (65 Schilling) mit riesigen Mengen Pizza- und Pie-Stücken sowie zwei Eimern Pepsi – und entwickeln uns damit endgültig zum Schrecken aller All-you-can-eat-Buffets westlich des Atlantischen Grabens.

Stefan muss mal wieder übertreiben!

Nach der Siesta versucht Tobi bei einer Tankstelle seinen Hinterreifen aufzupumpen. Er bläst dabei die Überreste seines abgebrochenen Ventils in den Schlauch und muss daher (oje … ) mal wieder den Reifen wechseln. Ich beobachte ihn gelangweilt von meinem Fahrrad herunter. Aber ich bin so vollgefressen, dass ich plötzlich das Gleichgewicht verliere. Blöd: Leider hängt ausgerechnet auf dieser Seite noch mein Fuß im Pedal. Also falle ich um, einfach auf die Straße hinaus. Peng! – Nichts passiert. Zumindest nichts Wesentliches: Der kanadische Verkehr bremst interessiert, dankbar für die Showeinlage; eine Frau fragt mich sogar nach meinem (geistigen?) Befinden. Aber ich habe mir nur leicht die Hand verstaucht und das Knie aufgeschürft.

Das hat er nun davon: Die gerechte Strafe für blöde Bemerkungen über meine Reifen!

Den restlichen Tag ist die Stimmung eher schlecht. In Niagara haben wir wohl doch etwas Fett angesetzt.

Auf holprigen, schlecht beschilderten Straßen geht es weiter, immer weiter, dem Wind entgegen … – Irgendwo am Rande der Einöde steht schließlich ein Motel, und weil es schon leicht dämmert, halten wir an, um die „was kostet …?“-Frage zu stellen. Doch als die selbstbewusste Besitzerin 40 Dollar für ein Zimmer ohne Frühstück verlangt (wir sind hier ja nicht am Zürichsee!), entschließen wir uns, den geforderten Betrag irgendwie anders – und zwar besser – anzulegen. Für Essen zum Beispiel.

Ein paar hundert Meter weiter lächelt uns ein Bauernhof – pardon, eine Farm – entgegen: Wie es der Zufall will, ist es kaum zehn (oder möglicherweise doch zwanzig) Jahre her, dass der Bauer Doug und seine Frau Marilyn mit dem Fahrrad durch Europa gefahren sind. Damit ist die Sache klar, die Wiese gemäht oder „the cow in the freezer“ – wie man hier sagt: Extra für uns stellt man vor der Scheune ein Zelt auf. Die Einladung, an diesem windigen, aber heißen Tag in den Pool zu hüpfen, lassen wir uns dann genau zweimal sagen – für jeden einmal.

Wunschlose Zufriedenheit; ein Gefühl beinahe wie frisch verliebt!

Bis spät in die Nacht diskutieren wir dann mit Doug und Marilyn unter den wachenden Augen von schätzungsweise dreißig Schafen über das moderne Bauerntum (Getreidepreise, Rinder- und Menschenwahn, und wie bös kann ein Esel werden, der Schafe vor Wölfen hütet?) und süffeln gemütlich kanadisches Micro-Brew. Dass sich die Flaschen nicht, wie in den USA, einfach aufschrauben lassen, merken wir leider zu spät: Die Kanadier müssen sich wohl jedes Mal über diese dämlichen USA-Touristen mit ihren perforierten Handflächen kaputtlachen …

Zu vorgerückter Stunde (die Kinder sind schon im Bett) dürfen wir noch einen verstohlenen Blick in ein Rinder-Erotik-Magazin werfen. Nacktfotos von Zuchtbullen! Toll. – Ernüchternd für die grasenden Leder-Ladys: Der Bauer selbst – und niemand anders – sucht den Samenspender aus.


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Stefan & Tobi