If it’s July, this must be South Dakota …

Filmtitel

 

Beim Frühstück empfangen wir offiziell die frohe Botschaft: Der Bach, den wir gestern bei Einbruch der Dunkelheit überquert haben, war kein Geringerer als der Big-Sioux-Fluss. Und die letzte Straße, die wir dabei so leichtfertig passiert haben, war die Staatsgrenze!

Nachdem der Mann die Nacht überstanden hat, ohne sich selbst in die Zehe zu schießen, ist er sichtlich lockerer, und so erfahren wir, dass er noch einen Bruder hat, der ungefähr 70 Meilen westlich von hier wohnt. (Soll der sich doch mit diesen radelnden Raubmördern herumschlagen!) „Shotgun Willie“ – so unser interner Kosename – verspricht, dass er „Bruder Scott“ anrufen wird.

Wir trödeln heute ein wenig, schaffen aber trotzdem 133 Kilometer – das vor allem deshalb, weil uns in dieser Gegend langsam die Dörfer ausgehen. Die letzten Kilometer unseres heutigen Pensums waren so flach, dass man einen mit 60 mph überholenden Truck noch minutenlang am Horizont sehen konnte. Irgendwo in dieser Teleskoplandschaft überschreiten wir dann auch die 3000-Kilometer-Marke – und am Ende des Tages erreichen wir schließlich Parkston, wo wir nach einigen Schwierigkeiten sogar „Scotty“ finden.

Der Mann hat sichtlich Mühe, sich an seinen Bruder (oder einen Anruf von ihm) zu erinnern! Eine entsprechende Rückfrage klärt dann aber, dass es ihn (und uns) tatsächlich gibt: Scotts Bruder entschuldigt sich, er hat angeblich den ganzen Tag niemanden erreicht.

Natürlich klappt auch der „Hi Scotty, we are friends of your brother“-Trick dementsprechend schlecht. Das eigentliche Problem liegt jedoch woanders. Argwohn! Dass es sich nicht um einen genetischen Defekt unter Brüdern handelt, beweist Scotts Frau: Diesmal ist sie es, die uns schief anschaut. Scotty hätte uns zwar in seine gemütlichen Kellerräume eingeladen, so aber dürfen wir uns stattdessen mit Smokie, der netten Hundedame, die Garage teilen.

Scotty mit der Frau von gestern – die müssten doch eigentlich ein ganz umgängliches Paar abgeben.

Wieso sind auf einmal alle so misstrauisch? Vielleicht liegt es daran, dass ich beschlossen hab’, mir einen Schnurrbart wachsen zu lassen.

Zum Abendessen landen wir zielsicher in der schummrigsten Bar im Umkreis von 100 Meilen (in dieser Gegend ein leicht verdienter Titel!). Wir nehmen allen unseren Mut zusammen, sehen dem Barkeeper eiskalt in die geröteten Augen und ordern (trotz eines vorausahnenden Grimmens in der Magengegend) mit fester Stimme eine Doppelportion Chickenwings.

Während im Fernsehen eine dieser berühmten amerikanischen Talkshows läuft, tröpfeln nach und nach lauter kranke Typen ein. Die Bar lebt! Und das ganz im Gegensatz zu den Chickenwings – denn die sind allen Befürchtungen zum Trotz gut durch und damit durchaus genießbar. Zur Belohnung erzählen wir dem Barkeeper von unserer Geschichte.

Einer der Typen pöbelt mich plötzlich blöd von der Seite an, nachdem ihn der Barkeeper über unsere geheiligte Mission aufgeklärt hat: „Mann, ich würde so ’nen Trip nicht mal in meinem Auto machen!“ – Was will der Kerl? Sich mit mir schlagen?!

Im Zeitraffertempo rasen mir alle möglichen Antworten durch den Kopf: „Schön für dich?!“ wirkt vielleicht zu desinteressiert. Da könnte man ja gleich „Ach wirklich!“ sagen. (Warum eigentlich nicht?) – „Was für ein Auto hast du denn?“ erscheint da schon aufmerksamer. Dumm, dass die Frage so überhaupt nichts zur Sache tut. – „Schön für dein Auto!“ kommt der richtigen Lösung zweifellos sehr nahe. Aber was weiß ich schon über sein Auto? – „Mit wessen Auto dann?“ Puh! Ganz schlecht …  – „Schlecht für dich.“ Am Ende nimmt er das persönlich? – „Warum nicht?“ Ha, darauf wartet der ja nur! – „Hast du keinen Führerschein?“ Uiii! Am Ende zieht der Kerl seine Remington und erschießt mich. – „Fuck you!“ Gut! (Aber wie soll ich wissen, ob der Mann überhaupt ein direktes Wort zu schätzen weiß?)

Na, und wie wäre es mit etwas Neutralem, mit subtil versteckter Bissigkeit, so wie … „Ich auch nicht.“ Whoops! Jetzt ist’s heraußen. Man sollte wirklich zuerst denken und dann reden. Nachdem ich meinen Mund wieder zugebracht habe, streife ich mein Gegenüber mit einem kurzen, möglichst ernsthaften Blick.

Einen Augenblick lang passiert gar nichts. Dann bricht der Mann auf einmal in schallendes Gelächter aus. – Puh! Die Antwort ist – richtig! Der Kandidat bekommt 99 Punkte.

Als wir auf dem Rückweg an einer Tankstelle vorbeikommen, stolpern wir mitten in eine dieser typischen 23-Uhr-Kleinstadt-Tankstellen-Sit-Ins sich langweilender amerikanischer Teenager. („Hihihi, kicher, kuder, prust, wo seid ihr her? Aus Out-Trier?“) Man nimmt uns auf den Arm. Haben die jungen Leute hier denn kein Zuhause?

Scotty besucht uns noch einmal in der Garage, als er sicher ist, dass seine Frau schon schläft. Heimlich lotst er uns in den gemütlichen Keller, überschüttet uns mit Chips, Bier und Fernsehen und erzählt uns vom harten, entbehrungsreichen Leben eines Parkstoners, bis ihm selbst die Augen zufallen.


Über die Autoren

Stefan & Tobi