Riders on the Storm

Jim Morrison

 

Ein deftiges Frühstück bringt uns auf die Beine: zwölf Eier, eine Packung Speck, ein halbes Toastbrot und – Pepsi (wäh …). – Statt der üblichen Dusche heute einmal ein Sprung in den Teich des Hauses. Und zu all dem laut und dröhnend mit Guns n’ Roses die passende Musik. (Danke, Axl, dass wir einmal nicht selber singen müssen.)

Als wir aufbrechen, beginnt es auf einmal leicht zu tröpfeln. (Verdammt, das hatten wir doch schon vor zwei Wochen … ) Diesmal ziehe ich mir die Regensachen gleich an. Und wieder regnet es den ganzen Tag.

Bevor wir Yale verlassen, müssen wir dem „Yale Expositor“ mit unserem Kurzbesuch noch unbedingt die Story der Woche liefern. Als wir endlich losfahren, ist es schon wieder zwölf. (Wer hat an der Uhr gedreht?)

Trotzdem ist heute irgendetwas besser als sonst. Rückenwind! Das Wasser schießt uns nicht von vorne in die Augen, sondern von hinten … Nein, genau genommen jagt es uns hinterher. Wir sind nämlich schneller! – Wir bekommen einen vagen Eindruck davon, wie es sein könnte, dieses Land vom Westen her (und daher mit Rückenwind) zu durchqueren. Aber wir sind ja echte Pioniere, moderne Helden. Und wenn der Wind stimmt, stimmt auch die Laune. Vier Stunden später sitzen wir nass wie Fische in einem Restaurant namens „Fritz’s“, 65 Meilen weiter.

Unbarmherzig ziehen wir mitten im Restaurant unsere Socken aus und tragen sie zur Toilette, wo wir den Inhalt – mit kurzen, andächtigen Pausen nach jedem Viertelliter – ins Waschbecken leeren.

Beim Essen kommt ein Deutscher an unseren Tisch und erzählt uns, dass wir unbedingt nach Frankenheim müssen, weil dies so eine schöne deutsche Stadt ist. Das Volk würde von sehr weit her dorthin pilgern, um die gute deutsche Atmosphäre einzufangen, schildert er uns begeistert.

Wir machen einen großen Bogen um Frankenheim und fahren weiter auf Route 46. Im strömenden Regen vollenden wir unsere ersten 1000 Meilen. Einer landläufigen Meinung zufolge regnet es jetzt Katzen und Hunde – aber der Regen fällt so dicht, dass man die Viecher nicht einmal sehen kann …

Rad fahren, um auf Körpertemperatur zu bleiben – man entdeckt doch immer wieder neue Facetten. Die Räder quietschen aus allen Fugen, der Sand und der Dreck von der Straße sind überall hineingekrochen. Kein Wunder: Jedes Mal, wenn so ein „Freightliner“ auf einen zugedonnert kommt, führt er eine zwölf bis fünfzehn Meter dicke Wasser- und Dreckwand mit sich.

Gegen 19 Uhr ziehe ich die Notbremse. Ich bin klatschnass, müde und durchgefroren, es dämmert bereits und der Regen wird eher noch stärker. Kein Ende in Sicht: Die Panik übermannt mich. Saginaw – unfreundliche Großstadtatmosphäre, hektischer Verkehr, eine graue, unübersichtliche Suppe. Wo sollen wir in dieser Sauerei einen trockenen, warmen Platz zum Schlafen finden? Ich muss Stefan beinahe vom Rad runterzerren. Dem ist das alles wieder einmal Wurscht.

In diesem Moment fällt uns ein Auto auf, das wenige Meter vor uns in eine Einfahrt einbiegt. Wir ergreifen die Gelegenheit beim Schopf und stellen uns vor – was folgt, ist ein kurzes, zähes Ringen mit Jim und Jane, den vom Zufall „auserwählten“ Gastgebern. Wie üblich bitten wir um einen trockenen Platz in der Garage – nur, dass wir diesmal nicht bitten, sondern flehen. Kurz sieht es so aus, als würde sich unser Wunsch dennoch nicht erfüllen; nachdem der erste Schreck überwunden ist und sich das junge Paar mit seinen zwei kleinen Kindern und dem Haushund beraten hat, laden sie uns dann jedoch, nass, wie wir sind, sogar in die Wohnung ein.

Der Keller ist von den Regenfällen schon leicht überflutet, aber der Wäschetrockner funktioniert zum Glück noch. Es ist keine reiche Familie, die wir da heute überfallen, und ihr gewohntes Alltagsschema haben wir gehörig durcheinander gewirbelt. Es ist auch nicht klar, wie mit den beiden durchgeweichten Gästen eigentlich umzugehen ist. Trotz dieses Einbruchs in ihr Privatleben sind unsere Gastgeber sichtlich bemüht. Für die Familie mag es nur ein kleiner, schwieriger Schritt sein – aber an uns ist es ein großer Dienst.

Ich bin diesen Leuten vom Grunde meines Herzens dankbar. Natürlich haben wir uns woanders bestimmt schon mal diskreter aufgedrängt. Aber heute ist es ein Notfall – und morgen früh können wir dafür mit trockenen Sachen losstarten. (Die Schuhe bleiben natürlich nass.)

Der Wäschetrockner heult die ganze Nacht.


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Stefan & Tobi