A rest day is a day that gives you the rest.

Radfahrer-Lexikon

 

Nach dem Frühstück geht es wieder zurück in die Radzentrale. Unserer aufgestauten Unzufriedenheit über die Räder (verdammte Reifenflickerei!) und unseren Befürchtungen für die letzten zwei Drittel der Reise haben wir bereits gestern freien Lauf gelassen.

Die Radfirma verspricht uns nagelneue, stabilere Reifen, die unsere schweren Satteltaschen leichter verkraften, und Tobi eine gerade Lenkstange. Bei der anderen – Modell „Holländischer Käse“ – schlief ihm immer die linke Hand ein. Trotzdem, so richtig zufrieden sind wir doch nicht: Wenn uns die „Trek“-Leute jetzt tatsächlich alle unsere Wünsche erfüllen, dann haben wir ja auf einmal gar nichts mehr zu motzen!

Natürlich geht der Reifenwechsel bei Trek nicht im Formel-1-Tempo. Weil Stefan überdies noch sein neues Rad justieren lassen muss, schieben wir nach der Hetzerei der vergangenen zwei Tage einfach noch einen Tag Pause ein.

Am frühen Nachmittag überkommt uns allerdings schubartig ein fiebriges Zittern. Als sich etwas später auch noch die ersten Schweißausbrüche einstellen, erkennt Joel – ein äußerst erfahrener „Trek-Mann“ und unser heutiger Gastgeber – die Symptome auf Anhieb und erklärt uns, dass es sich dabei nur um die Folgen eines allzu abrupten Fahrradentzugs handeln kann. Mit erschütternder Selbstlosigkeit packt er kurzerhand drei nagelneue Test-MTBs ins Auto und setzt sich hinters Steuer. Per Landrover geht es dann eine gute Stunde in nördlicher Richtung aus der Stadt hinaus. Während der Fahrt erklärt uns Joel alles Wissenswerte über die anstehende Therapie: „Trek-Mountainbike-Trail“ heißt die Behandlung, die angeblich geeignet sein soll, auch die hartnäckigsten Radfahrerleiden ein für alle Mal zu kurieren. (Juhuu! Wir waren ja schon so lange nicht mehr auf dem Rad …) In der Nähe eines Kaffs namens Whitewater brettern wir dann mit den Rädern 20 Meilen in voller Fahrt über Stock und Stein. – Toll, endlich muss man keine Sorgen haben, dass die Dinger auseinanderfallen!

Zwei bis drei mühsame, anstrengende und gefährliche Stunden – ein echter Spaß!

Ohne die schweren Radtaschen ist das, als ob man fliegt! Aber, sind wir noch ganz richtig im Kopf? Haben wir an unserem freien Tag wirklich nichts Besseres zu tun?!

Während der Rückfahrt im Auto fängt es auf einmal zu tröpfeln an; wenig später graben wir unseren Weg durch eine dunkelgraue, kilometerdicke Wasserwand. Ein unglaubliches Gefühl, dabei ausnahmsweise mal ein Dach über dem Kopf zu haben – fast wie unverwundbar!

Bei Joel daheim verputzen wir einen Berg Lasagne (Joels Frau macht die beste Lasagne dieser Reise) und eine Hügelkette von Brownies (haben wir seit Jahrzehnten nicht mehr gegessen!) mit Icecream. Dazu das feine Gebräu irgendeiner lokalen Wisconsiner Brauerei: „Wicked Ale“ – yeah!

Für uns ist es der letzte Abend in der Zivilisation: Madison und die Radfirma sind jedenfalls unser äußerster gesicherter Vorposten. Vor uns liegt nun der raue Westen: Was ab hier passieren wird, ist vollkommen ungewiss – noch ungewisser als das, was bisher schon war.

Die psychischen Batterien haben wir bereits nachgeladen, die Köpfe sind befreit und die Räder mit Survivalausrüstung gespickt (Notbeleuchtung, Teflonöl etc.). Morgen wird es noch einmal einen neuen Aufbruch geben. Ein zweites Boston, sozusagen.


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Stefan & Tobi