Ufda!

Norwegisch für Fortgeschrittene

 

Zum Frühstück macht uns Matts Schwesterchen Pancakes mit Ahornsirup. Bis wir fort sind, ist es schon wieder kurz vor zwölf.

Was für ein beschissener Tag! Starker, ununterbrochener Wind aus Südwest, später Nordwest (aber Hauptsache von Westen). Unsere Kompasse brauchen wir heute nicht; es genügt, möglichst direkt gegen den Wind zu fahren.

Ein bedrohliches Ziehen in meinem linken Knie lenkt mich vom Westwind-Wahnsinn ab: Offensichtlich habe ich in Madison mein Rad nicht richtig eingestellt. Den Sattel setze ich nun um einen guten Zentimeter tiefer – aber es ist schon fast zu spät: Wir müssen heute langsamer fahren, um nicht das Schlimmste (Arzt, Krankenhaus, Abbruch) heraufzubeschwören. Immer, wenn ich mich gegen den Wind stemmen will und die Tretbewegungen dadurch ein wenig kantiger werden, spüre ich die Knie und muss aus Angst vor den Folgen wieder nachlassen. Der Wind verbläst mich widerstandslos – ein ausgesprochen frustrierendes und erniedrigendes Gefühl.

Stefan kriecht wegen seiner Knieprobleme förmlich hinter mir her. Ich muss mich irrsinnig zusammenreißen, ihn deshalb nicht anzuschnauzen, weil meine innere Uhr mir sagt, dass wir in den letzten Tagen zu viel rumgetrödelt haben.

Nach exakt 96,6 Kilometern, also genau 60 Meilen, entdecken wir am Straßenrand eine Party und fragen in dem dazugehörigen Haus – ein wenig scheinheilig – nach dem Weg. Stattdessen erfahren wir, dass die örtliche Softballmannschaft gerade ihr jährliches Fress- und Saufgelage veranstaltet. Man mästet uns mit Schweinerippchen, Truthahnbrust und Folienkartoffeln und bringt uns anschließend den Farmer-Volkssport Hufeisenwerfen bei. Am Zapfhahn begegnen wir Mike, dem Norweger, und seiner schrillen Frau Jill. – Ein großartiges Paar. Jill bereichert unseren Wortschatz zu vorgerückter Stunde mit norwegischen Schimpfwörtern. „Ufda!“ ist ein Universalbegriff, mächtiger als „Fuck!“ und „Shit!“ zusammen. Eigentlich hätten wir dieses Wort ja schon heute dringend gebraucht, aber in Zukunft wird es uns dafür umso lockerer von der Zunge gehen …

Als die Dämmerung hereinbricht, ist auch unser Peiniger, der Wind, erschöpft. Die Sonne liefert einen dramatischen Abgang und hinterlässt schließlich zu der absoluten Windstille einen prächtigen Vollmilchmond, der die gesamte, langsam abkühlende Ebene einladend hell erleuchtet. Vielleicht sollten wir in Zukunft in der Nacht fahren? – Die heutige verbringen wir aber doch lieber in einem Zelt, das Jerryl, der Gastgeber, für seine trunkenen Kumpel (also auch für uns) in den Garten gestellt hat.

Aber noch ist es nicht so weit! Vorher gibt’s noch eine kleine Mitternachtseinlage: Jerryls wohlerzogene Promenadenmischung läuft jedes Mal, wenn sein Herrchen (oder irgendwer anderer) „Go-getta-beer!“ brüllt, zu der Badewanne im Geräteschuppen und holt eine Dose Budweiser. Wir sind begeistert! Österreichs Kommissar Rex kann das zwar mit Mobiltelefonen – aber wie viele Handys braucht man schon an einem Abend?

Schon die Menschen im Osten hatten uns beeindruckt – aber die Gastfreundschaft hier im Mittleren Westen kennt scheinbar keine Grenzen!


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Stefan & Tobi