Lazy Sunday Afternoon

The Small Faces

 

Gegen 4 Uhr 30 fangen zwei Hähne an, laut und falsch im Duett zu krähen. Zu gern würden wir das Problem auf amerikanische Art lösen – aber das Schießeisen haben wir leider bei Charlie in St. Anthony gelassen. Wir könnten den Viechern natürlich auch die Patronen, die uns unser Lieblingswaffennarr als Andenken mitgegeben hat, an den Kopf werfen. Aber pro Hahn hätten wir dann nur einen Wurf. Und die Tiere sehen so aus, als ob sie jederzeit zu einem Gegenangriff bereit wären.

Valerie freut sich so sehr, dass sie endlich jemanden zum Deutschüben hat, dass wir den Zeitpunkt unserer Abreise praktisch selbst bestimmen können. Es passiert wohl auch nicht alle Tage, dass in Dales (so heißen die fünf Häuser nämlich) zwei Radfahrer aus Europa vorbeikommen.

Wir verbringen den Tag mit Nichtstun, ziehen uns im Häuschen unserer Gastgeber nicht weniger als fünf (jugendfreie) Videofilme rein und genießen den Luxus, die Olympischen Spiele wieder einmal live sehen zu können (3000-Meter-Hindernis-Lauf, meine persönliche Lieblingsdisziplin!)

Dafür, dass wir hier beinahe nicht einmal stehen geblieben wären, schlagen wir jetzt schon ziemlich Wurzeln. Valerie und Henry leben in einem dieser amerikanischen Billig-Fertighäuser, die man auf Rädern durch die Landschaft karrt und dann einfach irgendwohin stellt. Im Wohnwagen nebenan haust Valeries Schwester mit ihrem Freund. Der Rest des Grundstücks ist Tiergarten-Areal. Die wichtigsten Attraktionen: zwei Truthähne, zwei Ziegen, ein paar Hühner, ein Haufen Enten und Gänse sowie jene zwei Hähne, die uns schon in der Nacht unangenehm aufgefallen sind. Außerdem hat Valerie noch zwei Frettchen, zwei oder drei Katzen und einen äußerst liebenswerten, weil völlig verschmusten Rottweiler namens Franklin. Franklin ist ein bisschen doof – angeblich, weil früher sein Lieblingsspielzeug statt des hundeüblichen Tennisballs eine Bowlingkugel war, mit der er sich – Kopf voraus – immer wieder heftige Zweikämpfe geliefert hat. Und irgendwann hat dann der Klügere gewonnen (oder so). Armer Franklin …

Insgesamt macht die Familie einen erstaunlich sorglosen Eindruck: Allzu viel Geld dürfte zu einem solchen Leben nicht nötig sein. Die beiden Frauen gehen jeden Tag ein paar Stunden nach Red Bluff arbeiten, und Henry macht gerade eine Schweißerlehre. Es ist faszinierend zu sehen, wie es anderen Leuten gelingt, ihr Leben auf zufrieden stellende Weise zu meistern, ohne sich dabei an das in Österreich so verbreitete Sicherheitsdenken zu klammern.

Den Abend verbringen wir wieder in der Bar: Patty, die Besitzerin, ist heute aus Red Bluff zurückgekehrt, um das Barteam zu verstärken (gestern haben wir also nur die Notbesatzung kennen gelernt). Wir verkosten den Rest der Speisekarte (statt Burritos gibt es heute Burger), entdecken einen Nebenraum, in dem man Pool spielen kann, und stellen fest, dass es vom Budweiser-Hersteller Anheuser-Bush sogar ein dunkles Bier gibt, das sich (als Microbrew-Fälschung) auch ganz ordentlich trinken lässt.

Danach mache ich noch einen kleinen Vorgriff auf Red Bluff: Valeries Schwester arbeitet dort in einer Bar, und ihr Freund hält es für eine gute Idee, wenn wir sie dort am späteren Abend besuchen fahren. Die Bar ist natürlich ganz anders als die in Dales (riesiger Raum, großer rechteckiger Tresen), aber deswegen um nichts weniger nett, zumal die Drinks alle aufs Haus gehen. Auch ein Dartsautomat ist vorhanden – nachdem die erste Partie allerdings gleich mit Rekordvorsprung an mich geht, will keiner mehr mit mir spielen. (Tja, wenigstens das habe ich auf dieser Reise gelernt.)


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Stefan & Tobi